Case study
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Startstrombegrenzer ersetzt das Stützkonzept

Modifikation des Bordnetzes für die Start-Stopp-Funktion

Die Daimler AG ist eines der erfolgreichsten Automobilunternehmen der Welt. Da es beim Starten der Fahrzeuge einer sehr hohen Stromzufuhr bedarf, kam es immer wieder zu einem kurzzeitigen Spannungsabfall beim Anlassen der Autos. Durch ein neu entwickeltes System konnte das Unternehmen die Stromspitzen reduzieren und dabei gleichzeitig den Ressourcenverbrauch verringern.

Vielen Autofahrern ist bereits aufgefallen, dass beim Starten eines Fahrzeugs die Beleuchtung kurzzeitig dunkler wird. Möglicherweise können sogar das Radio, das Navigationsgerät oder weitere elektrische Funktionen über einen gewissen Zeitraum ausfallen. Technisch ist dieses Phänomen auf den kurzzeitig hohen Strombedarf des Starters zurückzuführen, der die Batteriespannung abfallen lässt.

Bei der serienmäßigen Einführung eines Start-Stopp-Systems sollte dieses Phänomen technisch gelöst werden. Das automatische Abschalten und Starten des Motors beim Anhalten bzw. Anfahren reduziert zwar bei den Mercedes-Benz-Fahrzeugbaureihen den Flottenverbrauch, allerdings treten dann die Irritationen durch Spannungsschwankungen nicht nur beim Beginn einer Fahrt auf.

Um den kurzzeitigen Spannungsabfall im Bordnetz beim Motorstart zu vermeiden, wurde zunächst ein Bordnetzstützkonzept implementiert. Dabei werden im Moment des Starts mit Hilfe einer zweiten Batterie und zwei elektronischen Schaltern die Steuergeräte abgepuffert. Die eingesetzte Stützbatterie hält zwar die Spannung im gesamten Bordnetz stabil, ist allerdings mit hohen Kosten, Gewicht und Bauraumbedarf verbunden.

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz eines Stützwandlers, der beim Start nur einzelne Verbraucher des Bordnetzes absichert. Bei dieser Lösung kann es jedoch u. U. auch zu den beschriebenen Auswirkungen kommen. Das Ziel bei Daimler war es deshalb, ein System zu entwickeln, welches den Bordnetzanforderungen entspricht, aber den Aufwand und Ressourcenverbrauch deutlich reduziert.

Zunächst sollte der Einsatz eines Strombegrenzers in Versuchen verifiziert werden, um zu untersuchen, ob der Starter nicht auch mit einem kurzzeitig deutlich reduzierten Anlaufstrom in der Lage ist, den Verbrennungsmotor in Drehung zu versetzen.

Anschließend sollte überprüft werden, ob die Abschaltfunktion der pyrotechnischen Sicherung (Pyrofuse) in den Strombegrenzer integriert werden kann. Die Pyrofuse nimmt den für diese Funktion idealen Bauraum direkt an der Batterie ein und hat die Aufgabe, die Starterleitung bei einem Unfall von der Batterie zu trennen. Es sollte eine neue Baugruppe entwickelt werden, die die Funktionen eines Strombegrenzers und der Pyrofuse vereint.

Zur Realisierung der Strombegrenzungsfunktion wurden drei verschiedene physikalische Grundprinzipien betrachtet, von denen sich eines als am erfolgversprechendsten herauskristallisierte. Die betrachteten Prinzipien umfassten die Möglichkeiten, den Strom mittels einer großen Induktivität, einem Frequenzwandler + Induktivität oder einem geschalteten Widerstand temporär zu reduzieren.

Mit den Methoden aus Design for Six Sigma wurde aus den verschiedenen Grundprinzipien das für die Anwendung geeignetste Grundprinzip ausgewählt und verfeinert. Basierend darauf wurde die technisch optimale Lösung in Bezug auf die Anforderungen, Kosten, Bauräume und Aufwände ausgewählt und gemeinsam mit der Eberspächer GmbH zur Serienreife gebracht. Anhand statistischer Auswertungen konnte abschließend belegt werden, dass die prinzipbedingte mittlere Motorstartverzögerung in einem nicht kundenrelevanten Bereich von <35 ms liegt.

Durch die funktionale Integration der Starterleitungsabsicherung ist es gelungen, nicht nur die Versorgungsspannung für die Steuergeräte im Startfall zu gewährleisten, sondern auch die elektrische Absicherung der Starterleitung im Falle eines schweren Unfalls mit der entwickelten Komponente zu realisieren. Da die bestehende pyrotechnische Lösung zur Abtrennung der Starterleitung nach einer Aktivierung getauscht werden muss, kommt durch den nun verwendeten elektronischen Schalter ein weiterer Vorteil hinzu.

Durch den Einsatz der neu entwickelten Komponente (SEB) ist es möglich geworden, mehrere bestehende Komponenten, die einen deutlich höheren Ressourceneinsatz mit sich führten, aus dem Fahrzeug entfallen zu lassen. Hierzu zählen eine Bleibatterie, zwei elektronische Schalter, einschließlich Halterung und dazugehöriger Verkabelung mit Sicherung, sowie das pyrotechnische Trennelement.

Der Entfall der Stützbatterie im Fahrzeug hat auch entlang der Produktionskette große Auswirkungen. Einerseits müssen diese Komponenten nicht bei Daimler montiert werden, andererseits entfällt in den vorgelagerten Prozessen der Ressourceneinsatz für Logistik, Transport, Verpackung und Herstellung der Komponenten und Rohstoffe.

Durch das entwickelte Bauteil und damit den Verzicht auf die Stützbatterie können Materialien wie Blei, Schwefelsäure, Kupfer und Gold eingespart werden. Darüber hinaus kommt es zu einer Zeitersparnis beim Fahrzeugbau. Außerdem muss die Stützbatterie bei der Wartung nicht mehr getauscht sowie die Pyrofuse beim Verschrotten nicht mehr separiert und entsorgt werden. In der Nutzungsphase wird durch das geringere Fahrzeuggewicht zudem etwas weniger CO2 ausgestoßen.

Bisherige Komponenten (rechts) und neue Komponente (links) auf einer Tafelwaage
Symbolischer Gewichtsvergleich und Materialeinsatz zwischen den bisherigen Komponenten (rechts) und der neuen Komponente (links) (Daimler AG)

Das Projekt und seine Ergebnisse zeigen, dass Ingenieurkunst durch Einfachheit besticht. In manchen Fällen ist es erforderlich, sich auf die wesentlichen Funktionen zu konzentrieren und die Notwendigkeit einzelner Komponenten zu hinterfragen.

Mit der Entwicklung der neuen Baugruppe hat man bei Mercedes-Benz am Kern des Problems angesetzt und die Notwendigkeit der Stützbatterie und ihre Auswirkungen im Lebenszyklus nochmals kritisch hinterfragt. Dabei stand nicht die Symptombekämpfung im Vordergrund, sondern der Ansatz, den Verursacher, d. h. den Starter, umzugestalten, so dass sein Strombedarf begrenzt wird.

Zu Beginn und auch während der Umsetzung war ein großer Abstimmungsaufwand innerhalb der elektrisch/elektronischen Bereiche notwendig.

Die Daimler AG ist eines der erfolgreichsten Automobilunternehmen der Welt. Mit den Geschäftsfeldern Mercedes-Benz Cars, Daimler Trucks, Mercedes-Benz Vans, Daimler Buses und Daimler Financial Services gehört der Fahrzeughersteller zu den größten Anbietern von Premium-Pkw und ist der größte weltweit aufgestellte Nutzfahrzeughersteller. Daimler Financial Services bietet Finanzierung, Leasing, Flottenmanagement, Versicherungen, Geldanlagen und Kreditkarten sowie innovative Mobilitätsdienstleistungen an.

Im Jahr 2016 setzte der Konzern mit insgesamt 282.488 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund 3 Mio. Fahrzeuge ab. Der Umsatz lag bei 153,3 Mrd. Euro, das EBIT betrug 12,9 Mrd. Euro.

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